A.Lange wrote:
> Peter Middelhauve wrote:
>
>> A.Lange schrieb:
>>
>>> Der DDR stand offen, den Namen "Deutsche Staatseisenbahn" zu wählen,
>>
>>
>>
>> Quelle?
>
>
> Ja, gerne.
> Frag mich nicht, wo ich das nun wieder gelesen habe. In meines Vaters
> Bibliothek stehen etwa 500 Bücher und Ordner zum Thema Eisenbahn, ich
> sehe mich da auch irgendwie außerstande, da die Quelle zu suchen. Bei
> Fragen zu Themen im Modelleisenbahner ab 1957 bin ich weit fitter, die
> Biester habe ich seit meiner Kindheit tausende Male durchblättert.
>
> Möglich, daß ich das bei Preuß gelesen habe, oder in einem Buch über die
> Nachkriegsideen eines einigen Deutschlands.
>
Grundsätzlich wäre ich im Umgang mit dem sozialistischen Journalisten
Erich Preuss, einst « Fahrt frei » - Redakteur, dann
DB-Personalzeitschrift, dort freiwilliger (?) Abschied recht vorsichtig.
Bemerkenswwert, wie bruchlos er seine Schreibe änderte (Quellen? « Fahrt
frei » und « modelleisenbahner » - dort z. B. zur « Staatsgrenze »)
änderte. Hinzu kommen eine Reihe von Ungenauigkeiten und durch die
erfahrene Sozialisation geformte Sichten auf die Geschichte, die so oder
so ähnlich schon vor dem Mauerfall zu lesen waren. Aber dass soll kein
Kritik-Beitrag werden.
1. Wie alles, was mit dem Kommunismus zu tun hatte, waren solche Fragen
immer politisch determiniert. Im Potsdamer Abkommen wurde Deutschland
als Einheit betrachtet und ebenso sein Verkehrswesen. Das letzte
realpolitische Überbleibsel dieses Herangehens waren die Betriebsrechte
der Reichsbahn im Westteil der deutschen Hauptstadt (Quellen: Potsdamer
Abkommen, Allierte Vereinbarungen - leicht zu finden, auch im Internet)
2. Die imperiale Politik der sowjetischen Führung, und dieser hatten
sich die deutschen Genossen bedingungslos unterzuordnen (hätten sie es
übrigens nicht getan - Ungarn 1956, CSSR 1968), war auf eine
Neutralisierung (Mindestziel) des gesamten Deutschlands oder eine
sozialistisch / kommunistische Ausgabe desselbigen gerichtet
(Maximalziel). Dafür war im politischen Koordinatensystem der
Sowjetführung das Potsdamer Abkommen deer ideale Ausgangspunkt. Die
DDR-Politik ( unabhängig von den jeweils verordneten Kampagnen)
reklamierte deshalb auch stets für sich, der einzige deutsche (Teil-)
Staat zu sein, der das Potsdamer Abkommen in fast allen (staatliche
Einheit - nein) erfüllt habe. Eine Aufgabe des Namens Deutsche
Reichsbahn hätte auch diesen Anspruch in einem Bereich des Abkommens in
Frage gestellt.
3. Die natürlichen Bindungen des Westteils Berlins (später) sowie die
alliierten Auffassungen vom Status der Hauptstadt (alliierte
Abmachungen) standen dem Souveränitätsstreben der DDR diametral entgegen
(Berlin-Ost, eigene Hauptstadt, militarisiert usw.). Es darf nun
spekuliert werden, ob bei einer Umbenennung der Reichsbahn durch die
alliierten Schutzmächte auch die Betriebsrechte der DR im Westteil
Berlins in Frage gestellt worden wären.
4. Dies wäre der DDR höchst ungelegen gekommen, war sie doch in den
fünfziger und sechziger Jahren bemüht, die von ihr betriebenen S- und
Fernbahnen im Westteil zu benutzen, um ihrer Souveränitätsansprüche
durchzusetzen. Unsere Soldaten mussten nicht nur einmal die DR auf den
Boden der Tatsachen zurückholen (z. B. Wasserturmbemalung im Wedding, 1961).
5. Sowohl die historischen Primärquellen als auch die Mehrheit der
Sekundärpublikationen belegen bzw. weisen darauf hin, dass die DDR über
die DR im Westteil Berlins so etwas wie einen sozialistischen
Musterbetrieb mit «Schaufenster»-Funktion in Szene zu setzen. Richtig
gelungen ist es ihr nicht - sogenannter UGO-«Putsch (!)» und Streik von
1980.
6. Spätestens in den achtziger Jahren, als die DDR daran ging, die i h
r genehmen Teile der deutschen Nationalgeschichte zu besetzen, entdeckte
sie auch gewisse Traditionslinien bei der DDR und stattete ihre
historischen Reisezugwagen mit dem Logo der DRG aus.
Abschliessend noch ein Zitat aus der offiziellen Betriebsgeschichte der
Deutschen Bahn = Mehdorn Air:
«Gleichwohl sollte sie (Reichsbahn West - D BAUZIERE) einen anderen
Namen bekommen. Die deutschen Beamten hätten den Begriff Reichsbahn
gerne beibehalten, der die Kontinuität und das Bekenntnis zur nationalen
Einheit implizierte. Doch war er nicht in allen Ländern — und vor allem
nicht in Bayern — wohl gelitten... Als die Verhandlungen um die
Integration der Südwestdeutschen Eisenbahnen begannen, bestanden die
Franzosen gegenüber den Amerikanern und Briten darauf, daß der Begriff
«Reich» fallengelassen werde. Ein weiteres Mal scheinen es die Franzosen
gewesen zu sein, die den Ton angaben... Folglich wurde seit September
1949 und mit Gründung der Bundesrepublik der alte Namenszug der
deutschen Eisenbahn gestrichen, und die Deutsche Bundesbahn trat auf die
Bildfläche. Im Gegensatz zur DDR, die an dem traditionellen und die alte
Einheit suggerierenden Namen festhielt, verwies die Bezeichnung
Bundesbahn auf die neue politische Verfassung Westdeutschlands. Dennoch
blieb der Geist der alten Reichsbahn in der Bundesrepublik trotz der
Nomenklatur lebendiger als in der DDR. Für diese Kontinuität stand
Edmund Frohne selbst, der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium
und spätere Präsident der Bundesbahn.»
Gall, Lothar. Pohl, Manfred (Hrg.) Die Eisenbahn in Deutschland. Von den
Anfängen bis zur Gegenwart. C. H. Beck, 1999. S. 279
BAUZIERE Didier